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Der Fall Reiners

In einer der ersten Stunden erläuterte uns dieser Deutschlehrer, was er uns in den nächsten vier Jahren beizubringen gedenke. Der Stoff sei riesig und vieles könne man nur streifen. Diejenigen, die mehr in die Tiefe zu gehen wünschten sollten sich das Buch "Stilkunst" von Ludwig Reiners beschaffen, es enthalte viele wichtige Gesichtspunkte, die man leider im Unterricht nicht näher behandeln könne (Reiners ausführliche "Stilkunst" ist nicht zu verwechseln mit seiner kurzen "Stilfibel", ein Büchlein über das richtige Abfassen von Geschäftsbriefen).

Da mir der interpretierende Deutschunterricht sinnlos und unerträglich schien beschaffte ich mir bald Reiners "Stilkunst" und arbeitete sie mit wachsendem Interesse durch. Da unterrichtete einer peinlich genaues, solides Handwerk: Wortwahl, Satzbau, das treffende Adjektiv, das farbige Bild, oder wie man zeitlich gestaffelte Ereignisse so in Sätze und Nebensätze verbaut, dass sich der Ablauf nicht verwirrt. Und immer wieder Beispiele aus der Deutschen Literatur: Kleists seitenlange Bandwurmsätze werden gewürdigt, aber vor Nachahmung wird dringend gewarnt, weil diese nur dem Meister zustünden. Ein dunkel-wirrer Satz von Karl Jaspers zieht sich über eine halbe Seite hin, danach schreibt Reiners: Dieser Satz heisst auf Deutsch - und genau dasselbe wird einfach und auf vier Zeilen gesagt - entlarvte Hochstapelei. Besonders interessant fand ich die Tatsache, dass Reiners als Textilkaufmann kein schöngeistiger Stubengelehrter war, der sich mit philosophischen Interpretationen berauschte und befriedigte, sondern, dass er das unterrichtete, was die Schule unterrichten sollte: Den klaren, schlanken und unmissverständlichen sprachlichen Ausdruck. So habe ich dieses Buch geliebt, immer wieder Freunden und Studenten empfohlen, es verschenkt, und wenn ich schreibe stehen bis jetzt seine Lehren vor mir. Wenn ich mich später in Medizin und Politik gewandt auszudrücken wusste so verdanke ich das Ludwig Reiners und dafür danke ich auch Dr.Louis Wiesmann und verzeihe ihm sämtliche Gedichtinterpretationen.

Die Ernüchterung folgte vor wenigen Jahren: Ein ganzseitiger Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung belegte, dass Reiners Mitglied der NSAPD war, dass er sein Buch über grosse Strecken bei Eduard Engels "Deutscher Stilkunst" abgeschrieben hatte, und zwar kopierte er nicht nur Struktur, massenhafte Beispiele und stilistische Weisheiten, sondern er gab sogar ganz unverfroren Engels persönliche Erlebnisse als eigene aus, ohne die Quelle deutlich offenzulegen. Die besondere Gemeinheit dabei war, dass das Buch des Juden Engel, welches von 1911 bis 1931 31 (!) erfolgreiche Auflagen erlebt hatte von den Nationalsozialisten verboten und eingestampft war. Engel war 1938 in bitterster Not verstorben. Reiners dagegen konnte 1944 sein Plagiat unbehindert veröffentlichen und verdiente gemäss eigener Aussage in der Nachkriegszeit mit seiner Schreibe soviel, wie er gar nicht ausgeben konnte.

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Ein Blog über das Schreiben 

Schreiben warum, wie, wofür? 

Einige subjektive Betrachtungen.

Die Beiträge sind von oben nach unten zu lesen und in dieser Reihenfolge geschrieben. Damit sie in der richtigen Reihenfolge erscheinen wurden die Daten der Veröffentlichung geändert. 

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